5 kritische Klima-Kipppunkte: Wie geht es weiter?
Der Klimawandel verändert die Welt – teilweise unumkehrbar. Wie viel Zeit bleibt noch zum Umdenken, bevor das Klima kippt, und auf welche neuen Realitäten müssen wir uns einstellen?
Der Klimawandel verändert die Welt – teilweise unumkehrbar. Wie viel Zeit bleibt noch zum Umdenken, bevor das Klima kippt, und auf welche neuen Realitäten müssen wir uns einstellen?
Schon jetzt sind die Folgen der globalen Erderwärmung – derzeit etwa 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter – deutlich spürbar. Darüber hinaus beginnen sich Teile des Erdsystems radikal zu verändern. Mehr als hundert Forschende aus aller Welt und aus zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen kommen zu dem Ergebnis, dass einige dieser Kipppunkte schon erreicht sind oder sehr kurz bevorstehen.
Aus wissenschaftlicher Sicht steht fest: Um solch große Umbrüche noch zu verhindern, führt an einer kompletten Reduzierung der Emissionen und dem Entfernen von Kohlendioxid aus der Atmosphäre kein Weg mehr vorbei. Wir stellen fünf kritische Klima-Kipppunkte aus dem aktuellen „Global Tipping Points Report 2025“ vor. LMU-Forschende erklären, wie wir mit einem instabiler werdenden Klimasystem umgehen können.
Dem tropischen Regenwald im Amazonasbecken macht eine Kombination aus direkter Zerstörung und klimawandelbedingter intensiver Trockenheit zu schaffen. Dabei spielt die Erwärmung des Oberflächenwassers im tropischen Pazifik und Atlantik eine wichtige Rolle. Der Kipppunkt für ein großflächiges Absterben des Amazonas-Regenwalds liegt nach wissenschaftlicher Einschätzung bei etwa 3,5 °C globaler Erwärmung (zwischen 2 und 6 °C). Dabei ist jedoch seine Abholzung nicht mitberücksichtigt. Bezieht man diese mit ein, liegt die Grenze wahrscheinlich deutlich niedriger.
Auf dem Spiel steht nicht nur ein Hotspot der Biodiversität, sondern auch ein Ökosystem, das selbst erheblichen Einfluss auf das Weltklima hat. Auch deswegen ist es sehr wichtig, den noch vorhandenen Regenwald vor Abholzung zu schützen und verlorene Gebiete wieder aufzuforsten. Eine globale Aufgabe, denn neben der Gier nach edlen Tropenhölzern werden Flächen auch für den Anbau von anderen Produkten gerodet, die in alle Welt gehen.
Julia Pongratz | © LMU
Julia Pongratz ist Professorin für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU sowie Mitglied im Expertenrat für Klimafragen und im Wissenschaftlichen Beirat für Natürlichen Klimaschutz.
Der Kipppunkt für das Auftauen der Permafrostböden an Land wird bei 1,5 °C globaler Erwärmung verortet und ist vermutlich schon erreicht. Besonders betroffen sind die Permafrostböden im Norden Eurasiens und Nordamerikas. Kritisch: Tauender Permafrost setzt Treibhausgase frei und fördert damit wiederum das Voranschreiten des Klimawandels. Der Kipppunkt für das vollständige Abschmelzen von Berggletschern liegt vermutlich bei 2 °C globaler Erwärmung, wobei auch individuelle Faktoren wie das örtliche Mikroklima die Schmelze eines Gletschers beeinflussen.
Weil Gletscher den lokalen Wasserhaushalt prägen und im Zusammenspiel mit Permafrost die Stabilität von ganzen Bergen gewährleisten, müssen sich viele Menschen auf radikale Veränderungen und größere Naturgefahren einstellen. Gerade in dicht besiedelten Regionen wie den Alpen werden bereits Schutzbauten und Frühwarnsysteme notwendig.
Ralf Ludwig | © privat
Ralf Ludwig ist Professor für angewandte Physische Geographie und Chief Sustainability Officer der LMU.
Immer öfter verursachen zu hohe Wassertemperaturen Korallenbleichen, bei denen die Nesseltiere ihre auf Dauer lebenswichtigen Algensymbionten abstoßen. Die Häufigkeit und Länge dieser Hitzewellen macht es den Baumeistern tropischer Korallenriffe inzwischen schwer, sich zu regenerieren, und so werden diese artenreichen Ökosysteme wohl unaufhaltsam verschwinden. Forschende nehmen an, dass der Kipppunkt bei 1,2 °C globaler Erwärmung liegt – und damit bereits deutlich überschritten ist.
Trotzdem könnten wir dem noch etwas entgegensetzen und zumindest Zeit gewinnen: Neben dem Kampf gegen die weitere Erwärmung der Meere durch konsequenten Klimaschutz gilt es, andere anthropogene Stressoren zu reduzieren – vor allem Wasserverschmutzung und Überfischung. Denn der Bau künstlicher Riffe als Küstenschutz, Fischhabitat und Tauchrevier wird dieses Ökosystem nie gänzlich ersetzen können.
2:16 | 13.11.2025
Zumindest einigen Gebieten, die heute noch von „ewigem“ Eis bedeckt sind, stehen große Umbrüche bevor: Der Kipppunkt für das Abschmelzen einiger polarer Eisschilde wird auf etwa 1,5 °C globaler Erwärmung geschätzt und wäre damit schon erreicht. Besonders nah am Kollaps befinden sich der Grönländische und der Westantarktische Eisschild. Dadurch droht langfristig ein weiterer deutlicher Anstieg des Meeresspiegels, der schon jetzt vielen Küstenregionen Probleme bereitet.
In den Niederlanden erhöht man bereits Deiche, um noch einigen weiteren Metern gewachsen zu sein. Obwohl Menschen dem Meer schon seit Langem mit solchen Bauwerken und der anschließenden dauerhaften Entwässerung von Flächen Land abringen, hat auch das technische und finanzielle Grenzen. Viele Inseln und Staaten stehen daher langfristig vor der Perspektive, ganz oder in Teilen unbewohnbar zu werden.
Matthias Garschagen | © LMU
Matthias Garschagen ist Professor für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Mensch-Umwelt- Beziehungen an der LMU und Hauptautor im Weltklimarat IPCC.
Der Klimawandel verändert das globale Netz von Meeresströmungen. Schon jetzt schwächt sich der Nordatlantische Subpolarwirbel (SPG) messbar ab und Forschungsergebnisse deuten bei der Atlantischen Umwälzströmung (AMOC) auf Ähnliches hin. Sie bringt als Verlängerung des Golfstroms nicht nur Wärme nach Europa, sondern hat generell großen Einfluss auf das globale Wettergeschehen und wirkt sich zudem auf zahlreiche andere Klima-Kipppunkte aus.
Forschende nehmen an, dass der Kipppunkt bei 2 °C globaler Erwärmung liegt, können aber auf der bisherigen Datengrundlage nicht ausschließen, dass er früher erreicht wird oder vielleicht sogar schon überschritten ist. Um die komplexen Modelle und Vorhersagen zu präzisieren, werden unbedingt mehr Messdaten benötigt, etwa aus der Tiefe des Meeres sowie Langzeitmessungen. Angesichts der globalen Bedeutung von Meeresströmungen wie der AMOC ist diese Forschung immens wichtig.
Alexander Haumann | © Haumann
Alexander Haumann ist Professor für Physische Geographie mit Schwerpunkt Ozeanographie an der LMU und dem Alfred-Wegener-Institut.
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